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Portraits reloaded

Ich, ich, ich! So lautet die simple Botschaft, die mit den geradezu epidemisch verbreiteten Selfies auf die community einprasselt. Mehr oder weniger unterschwellig mitgeliefert wird die Aufforderung an die Adressaten, den geneigten Blick und die ungeteilte Aufmerksamkeit auf die Absender zu richten.
Nichts mit alldem Getöse haben die Porträts, Natur- und Landschaftsbilder von Bertram Hasenauer zu tun. Trotzdem oder wohl eher genau deshalb ziehen sie uns in ihren Bann:

Portraits erfahren gerade wieder erhöhte Beachtung, was anhand von zwei aktuellen Beispielen untermauert werden kann:
Im Kinsky gelangen kommende Woche Bildnisse von Ferdinand von Amerling zur Auktion. Sein Werk liest sich nach Expertenmeinung im Rückblick wie das "Who' s who"  der hochadeligen und vermögenden Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Die Kundschaft nahm angeblich wochenlange Wartezeiten in Kauf, um für eine Sitzung vorgemerkt zu werden.
Wenn es nach der strengen Auffassung mancher Kunsthistoriker geht, gilt das Kriterium des Modellsitzens als essentielle Bedingung für ein Portrait. Dies setzt konsequenterweise die Existenz einer realen Person voraus.
Die Selbstportraits von Künstlerinnen und Künstlern, die derzeit in der "Neue Galerie" in New York gezeigt werden, erfüllen dies zweifelsfrei. Von Schiele bis Beckmann reichen die Bildnisse, die Tobias Natter für die Schau ausgewählt hat. Zudem ist es nach Kokoschka und Klimt bereits die dritte Ausstellung, die der ehemalige Direktor des "Vorarlberg Museum" dem Portrait widmet.

Traditionelle Portraits
Sämtlichen Exponaten gemeinsam ist, dass sie der konventionellen Definition des Portraits entsprechen. Der zufolge ist es oberstes Ziel, eine Person natur- und detailgetreu in ihrer individuellen Einzigartigkeit, mit ihr eigenen Besonderheiten, Auffälligkeiten und Merkmalen wie Statur, Habitus, Kleidungsstil und Ausdruck abzubilden. Insignien der Macht  oder des sozialen Status komplettieren die unverwechselbare Darstellung der Person. Damit wird die eindeutige Zuordnung zu einer bestimmten Person sicher gestellt.

Markant anders interpretiert Bertram Hasenauer das Genre. Man könnte sich durchaus darin versteigen, seine Version als subversive Unterwanderung zu bezeichnen.
Denn außer dem enorm präzisen Zeichnen und der feingliedrigen Malerei wird man nur auf den ersten Blick, der an der Oberfläche haften bleibt, Übereinstimmungen mit herkömmlichen Portraits entdecken.

Radikale Neuinterpretation
Zum einen begnügt er sich mit Fragmenten und Teilstücken von Köpfen, Körpern oder Gegenständen. Zum anderen verzichtet er auf jegliche Kennzeichen und Marker, die eine Zuordnung zu einer bestimmten Person zuließen. Wenig überraschend gibt es bei ihm auch kein Modellsitzen. Seine Bildvorlagen holt er sich nämlich aus Zeitungen und Magazinen, die er für seine Zwecke adaptiert und inszeniert.
Während traditionelle Portraits über die klare Wiedererkennbarkeit die Geschichte einer Person erzählen, richtet sich Bertram Hasenauers Ansinnen gerade nicht auf das  narrative, erzählende Moment. Weil er darin eine Ablenkung von der "Persönlichkeit" sieht, konzentriert er sich auf die Dokumentation eines Augenblicks, einer Stimmung, eines Sentiments oder einer Erinnerung. Damit überwindet er die reale Ebene.

Indem er seine Figuren jeglicher identifizierender Zuschreibung entledigt, hebt er sie auf eine über- reale eine sur-reale Ebene. Der Begriff ist keinesfalls mit surreal zu verwechseln. Miriam Barnitz, Kuratorin in Berlin, hat dafür die überaus treffende Bezeichnung "Metaportraits" kreiert.
Als solche schweben die überwiegend jungen und makellosen Erscheinungen ohne Falten, Muttermale, auch ohne Piercings und Tatoos zwischen Boden und Atmosphäre in einem transzendentalen Raumkontinuum in weiß, schwarz oder grau.

Ephemere Wesen
Wer Selfies erstellt, heischt meist in fröhlicher Erregtheit ob des eigenen Egos nach Aufmerksamkeit. Konträr dazu begegnen uns Bertram Hasenauers Modelle: In nahezu provokanter Art und Weise sind sie ins sich gekehrt und den Betrachtern gegenüber indifferent und gleichgültig. Sie gehen auf Distanz, suchen offensichtlich keine Kommunikation, verharren abwartend, zeigen keine Regungen. Verstärkt wird dieser Eindruck, indem sie sich sogar abwenden, nur den Rücken zeigen, ihr Gesicht - das zentrale Kennzeichen eines Portraits - mit einer Kapuze verbergen oder von einem feinen Schleier umfangen sind.

Geheimnisvoll, melancholisch und entrückt, wie nicht von dieser Welt entgleiten die ephemeren Wesen unserem Wunsch, sie zu fassen. Vielmehr als ein tatsächliches Portrait sind sie die Idee davon. Damit  evoziert Bertram Hasenauer Empfindungen und Erinnerungen an ein Gefühl, das wir in einer spezifischen Situation gespürt haben.
Diesen kurzen Augenblick friert er ein und fordert dazu auf, ihn mit eigenen Erlebnissen, mit der eigenen Historie zu erweitern oder zu vervollständigen. Wenn eine Figur gedankenverloren aber nicht mit leerem Blick aus dem Bildraum schaut, dokumentiert Bertram Hasenauer exakt diesen Moment. Er steht als Signal für ein Dazwischen: Das "nicht mehr" und das "noch nicht". Dieses Dazwischen betrifft auch die Geschlechter. Bertram Hasenauers Portraitierte schweben dazwischen. Nicht eindeutig Frau, nicht eindeutig Mann.

 

Enigmatischer Realismus
Seinen Stil dem magischen Realismus zuzuschreiben, greift zu kurz. Er ist um das Rätselhafte zu erweitern, weshalb enigmatischer Realismus- wenn denn eine Kategorisierung als hilfreich angesehen wird - zutreffender erscheint.
Was seine künstlerische Ausdrucksweise darüber hinaus so anziehend macht - anziehend in dem Sinne, dass man beispielsweise dazu verlockt wird, nach der Kapuze zu greifen oder die Zweige auf die Seite zu schieben - ist die haptische Plastizität seiner Arbeiten.

Dies liegt vor allem an der skulpturalen Ästhetik, wie man sie von klassischen Marmorbüsten kennt. Hier wird der Beginn der künstlerischen Ausbildung von Bertram Hasenauer evident: Er studierte nämlich Bildhauerei in der Meisterklasse von Xaver Ölzant, bevor er seine Studien in Berlin und London vertiefte.
Eine faszinierende Präsenz geht im selben Maß von seinen Natur- und Landschaftsbildern aus. Sie changieren zwischen synthetisierter Naturaufnahme, Kulisse und "Tatort". Alles Belebte, Spontane und Dynamische scheint einem Schwebezustand gewichen zu sein. Der Eindruck ist jedenfalls ambivalent und zwiespältig. Einerseits fühlt man sich an die Optik alter Fotoplatten erinnert und damit auf vertrautem Terrain.

Jenseits der Idylle
Andererseits ragen die scherenschnittartigen Naturfragmente wie Kulissen aus einer Landschaft, die dystopisch bis apokalyptisch wirkt. Es ist eine Welt ohne Requisiten, ohne Beiwerk. Silhouetten von Bäumen verdecken die Leere, den Raum dahinter. Eigentlich verlangt es einen danach, dahinter zu blicken. Es könnte sich dabei aber auch um einen Tatort handeln. Wie also das Geheimnis lüften, ohne etwas riskieren? Ließe man sich andererseits von der vermeintlich leichten Lesbarkeit davon abhalten, blieben die tiefer liegenden Ebenen und metaphysischen Aspekte des Oeuvres von Bertram Hasenauer unerforscht. Diese Herausforderung anzunehmen, obliegt der Entscheidung der Rezipienten.

Genauso wenig täuschen lassen sollte man sich von dem Titel der Ausstellung. Üblicherweise wählt der Künstler die Begriffe oder Sätze nach dem Klang und der Poesie der Wörter. Teilweise sind es auch Fragmente von Gehörtem oder Gelesenem. " Irpen" hieß etwa eine frühere Präsentation. Dabei handelt es sich um eine Kleinstadt in der Ukraine. Es gab keine Verbindung zu den Arbeiten. Ob dies auch bei "Smoking in 
the woods" zutrifft, gilt es herauszufinden.

Margot Prax, Hard 04.04.2019

 
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